Warum Südostasien?

Am 08.08.25 Initiiert von Jing Li

Wenn das Überleben zur Notwendigkeit wird, müssen wir unweigerlich auf alle schauen, die überlebt haben – und auf jene, die es nicht taten, ob aus Liebe, Hass oder anderen Gründen. Ich denke oft an ein Gedicht aus Die nicht stattgefundene Himalaya-Reise:

Schneemann, hier bei uns
ist nicht alles Verbrechen.
Schneemann, nicht jedes Wort
ist ein Todesurteil.

Wir erben die Hoffnung –
diese vergessene Gabe.
Du wirst sehen,
wie wir Kinder zeugen inmitten der Trümmer.

✦ Film: Die Frau aus dem Hochland Nord-Myanmars
🎬 Regie: Wang Xiuyue
🕒 Laufzeit: 106 Minuten
🗣️ Sprachen: Zhongyuan-Mandarin / Tibetobirmanische Sprachen / Dai / mit chinesisch-englischen Untertiteln

🖼️ Filmbeschreibung
Seit den 1990er Jahren wurden Frauen aus Myanmar, Vietnam, Kambodscha und anderen südostasiatischen Ländern als „Bräute“ nach China vermittelt – teils angeworben, teils unter Vorspiegelung falscher Tatsachen. Viele wurden dort zu Gebärmaschinen degradiert.

Die Protagonistin des Films, Larry, stammt aus dem Norden Myanmars. Als Kind verletzte sie sich beim Holzsammeln am Bein – das blieb unbehandelt und führte zur Behinderung. Im Teenageralter folgte sie ihrer Tante nach Nordchina, wo sie einen deutlich älteren Mann heiratete. Sie lebte über zehn Jahre mit ihm und bekam zwei Kinder.

Zwischendurch floh sie, heiratete einen jüngeren Mann und bekam mit ihm eine Tochter.

An einem heißen Sommertag kehrt Larry zurück in ihre Heimat. Eine arme Frau aus Myanmar, drei grenzüberschreitende Ehen, vier Kinder – und ein Leben auf einem Weg, von dem es kein Zurück mehr gibt.

Der Film begleitet Larry von Shandong in China bis in ihre Heimat in Nord-Myanmar – ein persönliches Porträt einer „importierten Ehefrau“ und ihrer vielschichtigen Familiengeschichte.

🎤 Wort des Veranstalters
Ende letzten Jahres kehrte ich aus persönlichen Gründen nach Shanghai zurück und nahm dort an einem Dokumentarfilmfestival teil – ohne jegliche Erfahrung mit diesem Medium. Dort lernte ich den Regisseur Wang Xiuyue kennen.

Was mich nachhaltig bewegte, war nicht nur die Kraft der Bilder, sondern vor allem ein Gespräch am Rande der Veranstaltung. Wang erzählte von seinem neuen Projekt – über die 80 Millionen nicht explodierten Bomben, die US-Truppen während des Vietnamkriegs über Laos abwarfen.

Er beschrieb einen jahrzehntelangen Überlebenskampf: Für viele Laoten hat der Krieg nie aufgehört. Der Alltag mancher Familien besteht darin, Bomben zu entschärfen – um zu überleben.

Flugzeugtanks werden zu Booten, Bombenhüllen zu Souvenirs. Die Menge der Bomben: über eine Tonne pro Einwohner. Mehr als alle Bomben, die Deutschland und Japan im Zweiten Weltkrieg abwarfen.

Wang sprach von Feldern, Kratern, Toten, Versehrten – und Familien, die noch immer nach den Überresten vermisster US-Soldaten suchen.

Sein nächster Film trägt den Titel Fragments – der zweite Teil seiner Südostasien-Trilogie. Der erste Teil, Die Frau aus dem Hochland Nord-Myanmars, erschien 2022. Der dritte Teil wird sich mit Opfern von Internetbetrug in Kambodscha beschäftigen.

Mich hat diese künstlerische Reise tief berührt. Nicht aus Abenteuerlust, nicht aus einer selbsternannten moralischen Pflicht. Sondern aus einem Gefühl echter Verbindung – einer Anerkennung der menschlichen Zerbrechlichkeit, jenseits von Mitleid oder Exotisierung.

Ich habe viele Fragen an Wang:
Warum Südostasien?
Warum du?
Warum Dokumentarfilm?
Warum diese Bilder, diese Stimmen?

In einer Zeit, in der Worte oft missverstanden werden, brauchen wir echte Begegnungen. Deshalb freue ich mich sehr, Wang Xiuyue in diesem Sommer in Berlin begrüßen zu dürfen.

🗓 Datum: Freitag, 8. August 2025
🕖 Uhrzeit: 19:15 Uhr
📍 Ort: Koppenplatz 5, 10115 Berlin
🎟️ Eintritt frei (begrenzte Plätze, Anmeldung erforderlich)

🔗 Anmeldung: Hier klicken

📅 Ablauf
18:45–19:15 Einlass
19:15–20:55 Filmvorführung
20:55–21:00 Pause
21:00–21:30 Gespräch mit dem Regisseur
21:30–22:00 Offene Diskussion

🎬 Regisseur:
Wang Xiuyue ist Regisseur und Kameramann. Er lebt und arbeitet in Shanghai und lehrt an der Shanghai Film Academy der Shanghai University.

Sein künstlerisches Schaffen reicht von Dokumentarfilm und Animation bis zu zeitgenössischer Malerei.

📽 Hauptwerke:
The Village Villa (2010, Dokumentarfilm)
The Urban Villager (2012, animierter Kurzfilm)
Rebirth (2018, animierter Dokumentarfilm)
Die Frau aus dem Hochland Nord-Myanmars (2022)

🧑‍🏫 Moderator
Li Jing stammt aus Anhui, lebt derzeit in München und forscht als Doktorand an der LMU im Bereich der kondensierten Materie – mit Fokus auf Quanten-Vielteilchensysteme, Feldtheorie und Tensor-Netzwerke.

Neben der Physik schreibt und übersetzt er Gedichte, spielt Bass und ist als Konzertfotograf aktiv. Aktuell betreibt er ein Übersetzungs-Workshop sowie ein Musiklabel, das Künstler:innen aus verschiedenen Kulturen und Sprachen verbindet.

Gestaltung des Posters: © You Wu ins@youw_00